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Vredenhof

Aktualisiert: 14. Okt. 2021


Von Dünensand und Heidekraut gerahmt

Auf Insel grauer Mönche Heim

Unter Firmament bewahrt

Ein Hof liegt fern den Weltgerichten

Entrissen Kirchenhand und Pfaffensegen

Moosig fein gedämpfter Boden

Erbittet ohne Wort und Schall

Sanften und bedachten Schritt

Des Lebensfluss Vergänglichkeit

Bedenken Todes kalter Hand

Wie einst in nasser rauer Nacht

Ein jeder junge Hofbewohner

Gehalten, suchend, fest geschüttelt

Losgerissen in der See

Einsam sie auf Reisen gingen

Oft Tage, Wochen, Sonnenkreise

Neptun mit den Körpern spielte

Bevor im Anflug des Erschlaffens

Die Lebensreste Strände küssten

Von sturmgepeitschten Herzen aufgelesen

Und zärtlich warm umsorgt gebettet

Als Tat des Mitleids und der Ordnung

Über hundert Eingangspforten

Liegen flach zum Himmelszelt

Von Muscheln reich verziert

In Reih und Glied so fein gestaffelt

Wie einst die jungen Kriegeshelden

Die Pflicht für Vaterland erfüllten

Nicht Landeswappen, Fahne, Hymne

Der Schlüssel hier zum ewig Weilen

Dem Land vom Meer geschenkte Männer

Alle gleich und keine Fronten

Verbrüdert hier am heilgen Orte

Sinnlos, unfrei, eingegliedert

So schließt das Buch mit frühem Ende

Mancher Leichnam grad noch Kinde

Pilot, Matrose, Oberleutnant

Vernichtet für den Ruf voll Wahn

Auf vielen starren Pfortenplatten

Kein Name und kein Herkunft steht

So trauert bis zum Tage heute

Die Witwe, Mutter, Freund vergeblich

Wo einst geliebter Mann verbleibe

Doch gibt es auch die kleinen Wunder

Und mögens vierzig Jahre sein

Das durch so manche wage Spure

Verknüpft wird was von Leid getrennt

Und darf nach langer ferner Reise

Der lebend Nächste niederknien

Bei treu Gefährten einst geliebt

So sitzt man hier in Todesstille

Nur Wind und Blau pfeift Melodie

Nicht Friedhof, Bahre, Todesacker

Mahnmal, Wache, grelles Lichte

Ist dieser Ort sein eigen Maß


Und weilt man bis zur Nachtesstunde

Wenn Wind die hohen Kiefern neigt

Dann mag man über Eilands Himmel

Ein Sternlein finden glitzernd rein

Und klingt mit Symphonie des Schöpfers

Ein feines Atmen, leichtes Seufzen

Voll Ruhe, Frieden, Dankbarkeit


Tom J. Vennmanns



Erläuterung:

Der "Vredenhof" auf der niederländischen Watteninsel Schiermonikoog ist ein einzigartiges Juwel. Er ist ein Friedhof, der für Ertrunkenen gebaut wurde, die an die Insel angespült wurden. Dort liegen sowohl Seemänner, als auch Soldaten der beiden Weltkriege. Das Kleinod ist in seiner Ausgestaltung weltweit einzigartig, da hier deutsche, englische, kanadische und französische Soldaten beisammen begraben sind und eben nicht, wie auf üblichen Militärfriedhöfen, nach Nationalität getrennt sind. Alle Grabplatten sind gleich und die Grabgestaltung ist uniform gehalten. Hier sind somit diejenigen im Tode gleichgestellt und vereint, die zu Lebzeiten Feinde waren und durch Kriegsfronten getrennt waren. Diesem Gefüge wohnt eine nicht beschreibbare emotionale Kraft inne und ein Besuch des "Vredenhofs" ist daher eine sehr besondere Erfahrung, die mit Ruhe, Zeit und Achtsamkeit erlebt werden möchte. Viele Gräber beherbergen unbekannte und nicht identifizierte Leichname. Die Angehörigen haben somit zeitlebens keine Kenntnis darüber erlangt, wo ihre Liebsten verblieben sind. Viele dürften angenommen haben, dass sie für immer im nassen Grab der Meere verschollen sind. Ohne Information darüber, dass das Schicksal ihnen eine behütete Ruhestädte zwischen windgeneigten Kiefern und alten Dünen bereitgestellt hat. Zu anderen Gräbern (mit identifizierbaren Toten) gehört eine herzzerreißende Geschichte, wie Angehörige erst nach Jahren und zum Teil Jahrzehnten ausfindig gemacht werden konnten, sodass sie nach lang aufgegebener Hoffnung die Gelegenheit bekamen, am Grabe ihrer Liebsten niederzuknien. Ich kann das wunderbare Buch Vredenhof - Ein Ruheplatz für Ertrunkene auf Schiermonikoog von Sietse van Hoek (2003 uitgeverij Kolstein) sehr empfehlen, um die Magie und Einzigartigkeit dieses Ortes nachvollziehen zu können. Es geht jedoch natürlich nichts über einen persönlichen Besuch des Ortes.



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