Von Dünensand und Heidekraut gerahmt
Auf Insel grauer Mönche Heim
Unter Firmament bewahrt
Ein Hof liegt fern den Weltgerichten
Entrissen Kirchenhand und Pfaffensegen
Moosig fein gedämpfter Boden
Erbittet ohne Wort und Schall
Sanften und bedachten Schritt
Des Lebensfluss Vergänglichkeit
Bedenken Todes kalter Hand
Wie einst in nasser rauer Nacht
Ein jeder junge Hofbewohner
Gehalten, suchend, fest geschüttelt
Losgerissen in der See
Einsam sie auf Reisen gingen
Oft Tage, Wochen, Sonnenkreise
Neptun mit den Körpern spielte
Bevor im Anflug des Erschlaffens
Die Lebensreste Strände küssten
Von sturmgepeitschten Herzen aufgelesen
Und zärtlich warm umsorgt gebettet
Als Tat des Mitleids und der Ordnung
Über hundert Eingangspforten
Liegen flach zum Himmelszelt
Von Muscheln reich verziert
In Reih und Glied so fein gestaffelt
Wie einst die jungen Kriegeshelden
Die Pflicht für Vaterland erfüllten
Nicht Landeswappen, Fahne, Hymne
Der Schlüssel hier zum ewig Weilen
Dem Land vom Meer geschenkte Männer
Alle gleich und keine Fronten
Verbrüdert hier am heilgen Orte
Sinnlos, unfrei, eingegliedert
So schließt das Buch mit frühem Ende
Mancher Leichnam grad noch Kinde
Pilot, Matrose, Oberleutnant
Vernichtet für den Ruf voll Wahn
Auf vielen starren Pfortenplatten
Kein Name und kein Herkunft steht
So trauert bis zum Tage heute
Die Witwe, Mutter, Freund vergeblich
Wo einst geliebter Mann verbleibe
Doch gibt es auch die kleinen Wunder
Und mögens vierzig Jahre sein
Das durch so manche wage Spure
Verknüpft wird was von Leid getrennt
Und darf nach langer ferner Reise
Der lebend Nächste niederknien
Bei treu Gefährten einst geliebt
So sitzt man hier in Todesstille
Nur Wind und Blau pfeift Melodie
Nicht Friedhof, Bahre, Todesacker
Mahnmal, Wache, grelles Lichte
Ist dieser Ort sein eigen Maß
Und weilt man bis zur Nachtesstunde
Wenn Wind die hohen Kiefern neigt
Dann mag man über Eilands Himmel
Ein Sternlein finden glitzernd rein
Und klingt mit Symphonie des Schöpfers
Ein feines Atmen, leichtes Seufzen
Voll Ruhe, Frieden, Dankbarkeit
Tom J. Vennmanns
Erläuterung:
Der "Vredenhof" auf der niederländischen Watteninsel Schiermonikoog ist ein einzigartiges Juwel. Er ist ein Friedhof, der für Ertrunkenen gebaut wurde, die an die Insel angespült wurden. Dort liegen sowohl Seemänner, als auch Soldaten der beiden Weltkriege. Das Kleinod ist in seiner Ausgestaltung weltweit einzigartig, da hier deutsche, englische, kanadische und französische Soldaten beisammen begraben sind und eben nicht, wie auf üblichen Militärfriedhöfen, nach Nationalität getrennt sind. Alle Grabplatten sind gleich und die Grabgestaltung ist uniform gehalten. Hier sind somit diejenigen im Tode gleichgestellt und vereint, die zu Lebzeiten Feinde waren und durch Kriegsfronten getrennt waren. Diesem Gefüge wohnt eine nicht beschreibbare emotionale Kraft inne und ein Besuch des "Vredenhofs" ist daher eine sehr besondere Erfahrung, die mit Ruhe, Zeit und Achtsamkeit erlebt werden möchte. Viele Gräber beherbergen unbekannte und nicht identifizierte Leichname. Die Angehörigen haben somit zeitlebens keine Kenntnis darüber erlangt, wo ihre Liebsten verblieben sind. Viele dürften angenommen haben, dass sie für immer im nassen Grab der Meere verschollen sind. Ohne Information darüber, dass das Schicksal ihnen eine behütete Ruhestädte zwischen windgeneigten Kiefern und alten Dünen bereitgestellt hat. Zu anderen Gräbern (mit identifizierbaren Toten) gehört eine herzzerreißende Geschichte, wie Angehörige erst nach Jahren und zum Teil Jahrzehnten ausfindig gemacht werden konnten, sodass sie nach lang aufgegebener Hoffnung die Gelegenheit bekamen, am Grabe ihrer Liebsten niederzuknien. Ich kann das wunderbare Buch Vredenhof - Ein Ruheplatz für Ertrunkene auf Schiermonikoog von Sietse van Hoek (2003 uitgeverij Kolstein) sehr empfehlen, um die Magie und Einzigartigkeit dieses Ortes nachvollziehen zu können. Es geht jedoch natürlich nichts über einen persönlichen Besuch des Ortes.
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